
Das scheinbar irrationale Verhalten eines süchtigen Menschen folgt einer unsichtbaren, aber gnadenlosen Logik, die im Gehirn beginnt und das gesamte soziale Umfeld erfasst.
- Sucht ist keine moralische Schwäche, sondern eine neurobiologische Erkrankung, bei der das Belohnungssystem des Gehirns gekapert wird.
- Als Angehöriger ist das Verstehen dieser „Sucht-Logik“ der erste Schritt, um aus der eigenen Ohnmacht und Co-Abhängigkeit auszubrechen.
Empfehlung: Konzentrieren Sie sich darauf, klare Grenzen zu setzen und sich selbst Hilfe zu suchen, anstatt zu versuchen, den Süchtigen zu kontrollieren. Das ist der wirksamste Weg, um die Dynamik zu durchbrechen.
Sie stehen einem Menschen gegenüber, den Sie lieben, aber kaum noch wiedererkennen. Versprechen werden gebrochen, Vertrauen wird zerstört und eine unsichtbare Mauer aus Lügen und Ausreden scheint zwischen Ihnen zu wachsen. Sie fühlen sich ohnmächtig, wütend und zutiefst verletzt. Viele Ratschläge drehen sich darum, dass man „hart bleiben“ oder „besser kommunizieren“ müsse. Doch diese gut gemeinten Phrasen scheitern oft an der Realität, denn sie ignorieren die eigentliche Ursache.
Das Chaos, das Sie erleben, ist kein Zeichen von Charakterschwäche oder mangelnder Liebe seitens des Betroffenen. Es ist das äußere Symptom eines inneren Prozesses, bei dem das Gehirn selbst zum Feind wird. Die Droge schreibt die Regeln neu und schafft eine eigene, zerstörerische Realität. Aber was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, gegen den Süchtigen zu kämpfen, sondern die unsichtbare Logik seiner Sucht zu verstehen? Was, wenn dieses Verständnis Ihnen die Kraft gibt, aus der Rolle des hilflosen Zuschauers auszubrechen?
Dieser Artikel ist eine Brücke des Verstehens für Angehörige. Wir werden nicht beschönigen, aber wir werden erklären. Wir tauchen tief in die neurobiologischen und psychologischen Mechanismen ein, die das Verhalten eines süchtigen Menschen steuern. Wir zeigen Ihnen, wie Sie die Muster der Co-Abhängigkeit durchbrechen und wie ein Gespräch gelingen kann, ohne die Beziehung endgültig zu zerstören. Ziel ist es, Ihnen statt Ohnmacht wieder Handlungsfähigkeit zu geben – für sich selbst und letztlich auch für den Menschen, dem Sie helfen wollen.
Um diese komplexe Thematik strukturiert zu beleuchten, führt Sie der folgende Artikel durch die entscheidenden Aspekte der Abhängigkeit, von der Entstehung im Gehirn bis hin zu konkreten Hilfsangeboten für Betroffene und ihr Umfeld.
Sommaire : Einblicke in die zerstörerische Kraft der Drogensucht
- Der Weg in die Sucht: Wie illegale Drogen das Gehirn kapern und die Kontrolle übernehmen
- Die schleichende Isolation: Das eine Warnsignal der Sucht, das Familien oft übersehen
- Körper oder Kopf: Warum psychische Abhängigkeit oft schwerwiegender ist als der physische Entzug
- Das schwierigste Gespräch: Eine Anleitung, um Sucht anzusprechen, ohne die Beziehung zu zerstören
- Der erste Schritt aus der Abhängigkeit: Diese Anlaufstellen in Deutschland bieten sofortige Hilfe
- Der Weg in die Sucht: Wie illegale Drogen das Gehirn kapern und die Kontrolle übernehmen
- Co-Abhängigkeit: Wenn die Sucht eines anderen das eigene Leben bestimmt
- Sucht ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche: Ein umfassendes Verständnis von Abhängigkeit
Der Weg in die Sucht: Wie illegale Drogen das Gehirn kapern und die Kontrolle übernehmen
Um das Verhalten eines süchtigen Menschen zu verstehen, müssen wir zuerst begreifen, was in seinem Gehirn passiert. Sucht beginnt nicht mit einem moralischen Versagen, sondern mit einem neurobiologischen Überfall. Drogen wie Kokain, Heroin oder Amphetamine zielen direkt auf das Belohnungssystem unseres Gehirns, insbesondere auf den Botenstoff Dopamin. Dieses System ist normalerweise dafür da, überlebenswichtiges Verhalten wie Essen oder soziale Interaktion zu belohnen. Es sorgt für ein Gefühl von Glück und Motivation.
Drogen fluten dieses System jedoch mit einer unnatürlich hohen Menge an Dopamin. So setzen beispielsweise Amphetamine zehnmal mehr Dopamin frei als natürliche Belohnungen wie Nahrung oder Sex. Das Gehirn interpretiert dieses Signal als das wichtigste Ereignis überhaupt und speichert es tief ab. Es entsteht ein sogenanntes „Suchtgedächtnis“. Der Verstand lernt: Diese Substanz ist wichtiger als alles andere. Normale Freuden verblassen und verlieren ihre Bedeutung.
Mit der Zeit passt sich das Gehirn an diese ständige Überflutung an. Es reduziert die Anzahl der Dopamin-Rezeptoren oder produziert selbst weniger Dopamin. Die Folge: Der Betroffene braucht immer mehr von der Droge, nur um sich „normal“ zu fühlen – das ist die Toleranzentwicklung. Gleichzeitig wird der präfrontale Kortex, der für rationale Entscheidungen, Impulskontrolle und das Abwägen von Konsequenzen zuständig ist, systematisch geschwächt. Die Sucht kapert also nicht nur das Belohnungssystem, sondern demontiert auch die Kommandozentrale für vernünftiges Handeln. Der Betroffene verliert buchstäblich die Kontrolle über seine eigenen Entscheidungen.
Die schleichende Isolation: Das eine Warnsignal der Sucht, das Familien oft übersehen
Eines der subtilsten und zugleich verheerendsten Symptome der Sucht ist die fortschreitende soziale Isolation. Oft wird sie von Angehörigen zunächst als Rückzug, schlechte Laune oder Stress fehlinterpretiert. Doch hinter diesem Verhalten steckt eine tiefgreifende Veränderung: Die Droge wird zum zentralen Lebensmittelpunkt und ersetzt nach und nach menschliche Beziehungen. Das im Gehirn gekaperte Belohnungssystem reagiert kaum noch auf normale soziale Interaktionen. Ein gemeinsames Essen, ein Gespräch oder eine Umarmung können nicht mehr mit dem intensiven Rausch der Substanz konkurrieren.
Diese Dynamik führt zu einem Teufelskreis. Der Süchtige zieht sich zurück, um seinen Konsum zu verbergen, aus Scham oder weil soziale Anlässe ohne die Droge leer und anstrengend erscheinen. Dieser Rückzug führt zu Missverständnissen und Konflikten mit Familie und Freunden, was die Gefühle der Einsamkeit und des Unverstandenseins beim Betroffenen verstärkt. Die Droge wird dann zur einzigen verbliebenen „Lösung“, um diese negativen Gefühle zu betäuben. So wird die soziale Verbindung durch eine chemische Verbindung ersetzt.

Für Angehörige ist dieses Verhalten oft schmerzhaft und unverständlich. Man fühlt sich persönlich zurückgewiesen und fragt sich, was man falsch gemacht hat. Die Wahrheit ist jedoch, dass diese Isolation ein direktes Symptom der Krankheit ist. Der Betroffene stößt Sie nicht weg, weil er Sie nicht mehr liebt, sondern weil die Sucht-Logik sein Verhalten diktiert. Das Erkennen dieses Musters als Warnsignal ist entscheidend. Es ist kein persönlicher Angriff, sondern ein Hilferuf aus einer selbst geschaffenen, aber ausweglos erscheinenden Gefangenschaft.
Körper oder Kopf: Warum psychische Abhängigkeit oft schwerwiegender ist als der physische Entzug
Wenn von Sucht die Rede ist, denken viele zuerst an die dramatischen Bilder des körperlichen Entzugs: Schweißausbrüche, Zittern, Schmerzen. Diese physischen Symptome sind real und quälend, aber sie sind oft der kürzere und überwindbare Teil der Abhängigkeit. Die weitaus größere und langanhaltendere Herausforderung ist die psychische Abhängigkeit. Sie ist im „Suchtgedächtnis“ verankert, jener tiefen neuronalen Spur, die die Droge im Gehirn hinterlassen hat.
Während der Körper sich nach Tagen oder Wochen vom Gift der Substanz erholt, bleibt der Geist gefangen. Das Suchtgedächtnis vergisst nie das intensive „Glücksgefühl“ des Rausches. Es sorgt dafür, dass bestimmte Auslöser – ein Ort, ein Lied, Stress, ein Streit – ein unkontrollierbares Verlangen, das sogenannte Craving, auslösen können. Dieses Verlangen ist keine bewusste Entscheidung, sondern ein tief sitzender Reflex, der den rationalen Verstand überwältigt. Der Betroffene kämpft nicht nur gegen eine schlechte Angewohnheit, sondern gegen die umprogrammierte Struktur seines eigenen Gehirns.
Die Experten der My Way Betty Ford Klinik fassen die Endgültigkeit dieser Veränderung eindrücklich zusammen:
Die Anlage des Suchtgedächtnisses ist dauerhaft und lässt sich nicht mehr löschen. Die einzige Möglichkeit, eine Suchterkrankung zu beherrschen, ist daher eine dauerhafte Abstinenz.
– My Way Betty Ford Klinik, Suchtgedächtnis: Funktionsweise, Folgen & Entstehung
Diese Erkenntnis ist für Angehörige von zentraler Bedeutung. Ein überstandener körperlicher Entzug ist kein Sieg über die Sucht. Es ist lediglich der erste Schritt. Der eigentliche Kampf findet im Kopf statt und dauert ein Leben lang. Deshalb sind Rückfälle keine Zeichen von Schwäche, sondern Teil dieser chronischen Erkrankung. Verständnis für die Macht der psychischen Abhängigkeit ist entscheidend, um realistische Erwartungen zu haben und den Betroffenen langfristig unterstützen zu können.
Das schwierigste Gespräch: Eine Anleitung, um Sucht anzusprechen, ohne die Beziehung zu zerstören
Der Moment, in dem man die Sucht eines geliebten Menschen anspricht, ist von Angst und Unsicherheit geprägt. Man fürchtet Wut, Abstreiten oder den endgültigen Bruch. Doch Schweigen ist keine Option, denn es ermöglicht der Sucht, sich weiter auszubreiten. Ein erfolgreiches Gespräch basiert nicht auf Vorwürfen, sondern auf Empathie, Klarheit und einer strategischen Vorbereitung. Das Ziel ist nicht, den anderen zur Einsicht zu zwingen, sondern eine Tür für Hilfe zu öffnen.
Verwenden Sie „Ich-Botschaften“ statt „Du-Anklagen“. Sagen Sie nicht: „Du trinkst zu viel und zerstörst alles“, sondern: „Ich mache mir große Sorgen, wenn ich sehe, wie es dir geht. Ich habe Angst um deine Gesundheit und fühle mich hilflos.“ Beschreiben Sie konkrete Beobachtungen ohne Wertung (z.B. „Mir ist aufgefallen, dass du dich oft zurückziehst“) und die Gefühle, die dieses Verhalten bei Ihnen auslöst. Wichtig ist es, einen ruhigen Moment ohne den Einfluss von Substanzen und ohne Zeitdruck zu wählen.

Seien Sie auf Abwehr vorbereitet. Leugnen, Wut oder das Herunterspielen des Problems sind typische Abwehrmechanismen der Sucht, nicht unbedingt der Person. Bleiben Sie ruhig und bei Ihren Ich-Botschaften. Es geht nicht darum, eine Diskussion zu gewinnen, sondern einen Samen zu pflanzen. Bieten Sie konkrete Hilfe an, indem Sie bereits Informationen über Beratungsstellen recherchiert haben. Ein entscheidender Punkt ist zu wissen, wann man von einer Sucht im medizinischen Sinne spricht. Laut der Stiftung Gesundheitswissen liegt eine substanzgebundene Sucht vor, wenn mindestens drei von sechs definierten Merkmalen innerhalb eines Jahres aufgetreten sind. Dieses Wissen kann helfen, das Gespräch zu versachlichen.
Der erste Schritt aus der Abhängigkeit: Diese Anlaufstellen in Deutschland bieten sofortige Hilfe
Die Entscheidung, Hilfe zu suchen, ist der wichtigste und mutigste Schritt auf dem Weg aus der Sucht. Doch die Dringlichkeit dieses Schrittes wird oft unterschätzt. Die Konsequenzen unbehandelter Drogenabhängigkeit sind fatal und die Zeit ist ein kritischer Faktor. Die alarmierenden Zahlen unterstreichen dies: Allein im Jahr 2024 starben laut aktuellen Zahlen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen 2.137 Menschen in Deutschland an den direkten und indirekten Folgen ihres Drogenkonsums. Jede dieser Zahlen steht für ein zerstörtes Leben und eine trauernde Familie. Warten ist keine Option.
Für Betroffene und ihre Angehörigen kann der Dschungel an Hilfsangeboten überwältigend wirken. Wo fängt man an? Wer ist der richtige Ansprechpartner? Glücklicherweise gibt es in Deutschland ein dichtes Netz an professionellen und niedrigschwelligen Anlaufstellen, die sofortige und vertrauliche Unterstützung bieten. Der erste Kontakt ist oft der schwerste, doch er ist der Beginn des Ausstiegs aus der Spirale.
Die folgende Übersicht zeigt einige zentrale Anlaufstellen, die als erste Anlaufpunkte dienen können. Diese Informationen stammen unter anderem vom Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen und bieten einen verlässlichen Startpunkt.
| Anlaufstelle | Kontakt | Erreichbarkeit | Zielgruppe |
|---|---|---|---|
| BZgA-Suchtberatung | 0221 89 20 31 | Mo-Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-18 Uhr | Betroffene und Angehörige |
| DHS Suchthilfeverzeichnis | www.dhs.de | Online 24/7 | Alle Betroffenen |
| Narcotics Anonymous | Lokale Gruppen | Regelmäßige Meetings | Abhängige in Recovery |
Diese Stellen bieten nicht nur Beratung, sondern vermitteln auch an weiterführende Hilfen wie Entzugskliniken, Therapieplätze oder Selbsthilfegruppen. Der Anruf bei einer Hotline oder der Besuch einer Beratungsstelle ist anonym und unverbindlich. Es ist ein Akt der Stärke, diesen Schritt zu gehen – sowohl für den Süchtigen selbst als auch für den Angehörigen, der sich Unterstützung für die eigene Belastung sucht.
Der Weg in die Sucht: Wie illegale Drogen das Gehirn kapern und die Kontrolle übernehmen
Nachdem wir die neurobiologische Grundlage verstanden haben, müssen wir betrachten, wie sich diese Kaperung des Gehirns im Alltag manifestiert. Das Verhalten, das Angehörige als manipulativ, egoistisch oder unverständlich empfinden, ist die direkte Folge der Sucht-Logik. Der präfrontale Kortex, unser rationales Kontrollzentrum, ist geschwächt. Gleichzeitig schreit das Belohnungssystem nach der Droge. In diesem inneren Konflikt gewinnt fast immer die Sucht.
Lügen und Manipulation sind keine bewussten Bösartigkeiten, sondern Überlebensstrategien der Sucht. Die Krankheit tut alles, um ihre Fortsetzung zu sichern. Wenn der Betroffene Geld stiehlt, lügt er nicht, weil er ein schlechter Mensch ist, sondern weil die Sucht ihm signalisiert, dass die Beschaffung der Substanz überlebenswichtig ist – wichtiger als soziale Regeln oder die Gefühle anderer. Der Verlust der Impulskontrolle führt dazu, dass langfristige Konsequenzen (Jobverlust, Zerstörung von Beziehungen) gegenüber dem kurzfristigen, übermächtigen Verlangen nach der Droge verblassen.
Ein weiteres Kennzeichen ist die totale Vernachlässigung von allem, was früher wichtig war. Hobbys, Freundschaften, Arbeit, persönliche Hygiene – all das tritt in den Hintergrund. Dies geschieht nicht aus Faulheit, sondern weil diese Aktivitäten im Vergleich zum Drogenrausch keine nennenswerte Belohnung mehr im Gehirn auslösen. Der Betroffene ist in gewisser Weise gefangen in einer Welt, in der nur noch ein einziger Reiz von Bedeutung ist. Das Verständnis dieses Kontrollverlustes ist für Angehörige essenziell, um das Verhalten nicht als persönlichen Angriff zu werten, sondern als das, was es ist: ein tragisches Symptom einer schweren Krankheit.
Co-Abhängigkeit: Wenn die Sucht eines anderen das eigene Leben bestimmt
Die Sucht ist eine Krankheit, die selten nur eine Person betrifft. Sie greift wie ein Virus auf das gesamte soziale System über und infiziert oft die engsten Angehörigen mit einer eigenen Form der Abhängigkeit: der Co-Abhängigkeit. Co-abhängige Menschen sind nicht süchtig nach einer Substanz, sondern nach der Beziehung zum Süchtigen. Ihr gesamtes Denken, Fühlen und Handeln kreist um die kranke Person. Sie versuchen zu kontrollieren, zu helfen, zu retten – und verlieren sich dabei selbst.
Dieses Verhalten ist von guten Absichten getrieben, aber es ist toxisch. Indem der Co-Abhängige dem Süchtigen ständig die Konsequenzen seines Handelns abnimmt (Schulden bezahlt, bei der Arbeit entschuldigt, Lügen deckt), ermöglicht er der Sucht, ungehindert fortzubestehen. Er wird, ohne es zu wollen, zum wichtigsten Komplizen der Krankheit. Diese Verhaltensmuster sind oft tief verankert und laufen unbewusst ab, wie das DHS Jahrbuch Sucht 2024 aufzeigt.
Fallbeispiel: Muster der Co-Abhängigkeit
Das DHS Jahrbuch Sucht 2024 beschreibt typische Muster der Co-Abhängigkeit in Familien. Dazu gehören ein ausgeprägter Kontrollzwang, bei dem der Angehörige versucht, den Konsum des Süchtigen zu überwachen, das ständige Leugnen und Verdrängen der eigenen Bedürfnisse und Gefühle sowie das reflexartige Übernehmen von Verantwortung. Paradoxerweise stabilisieren diese Verhaltensweisen das Suchtsystem, anstatt es zu durchbrechen, da der Süchtige nie die vollen negativen Konsequenzen seines Tuns spüren muss.
Der Ausweg aus der Co-Abhängigkeit beginnt mit dem schmerzhaften Eingeständnis, selbst Teil des Problems geworden zu sein. Es bedeutet, die Verantwortung für das Leben des Süchtigen loszulassen und sie an ihn zurückzugeben. Das Wichtigste ist, sich selbst Hilfe zu suchen. Angehörigengruppen oder eine eigene Therapie können dabei helfen, die eigenen Muster zu erkennen, gesunde Grenzen zu setzen und das eigene Leben wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Das ist kein egoistischer Akt, sondern oft die einzige Möglichkeit, die zerstörerische Dynamik zu verändern.
Ihr Plan zur Überwindung der Co-Abhängigkeit
- Anerkennung: Erkennen und akzeptieren Sie, dass Ihr Verhalten co-abhängige Züge trägt. Seien Sie ehrlich zu sich selbst.
- Hilfe suchen: Kontaktieren Sie eine Beratungsstelle oder einen Therapeuten für sich selbst, nicht nur für den Süchtigen.
- Grenzen setzen: Definieren und kommunizieren Sie klare, unmissverständliche Grenzen (z.B. „Ich werde dir kein Geld mehr geben“).
- Selbstfürsorge: Nehmen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wieder wahr. Was tut Ihnen gut? Planen Sie bewusst Zeit für sich ein.
- Verantwortung zurückgeben: Hören Sie auf, die Konsequenzen des Konsums für den Betroffenen abzufedern. Lassen Sie ihn die Verantwortung für sein Handeln tragen.
Das Wichtigste in Kürze
- Sucht ist eine chronische Hirnerkrankung, bei der das Belohnungssystem gekapert wird, nicht eine Frage der Willensstärke.
- Psychische Abhängigkeit und das „Suchtgedächtnis“ sind die größten Hürden und erfordern eine lebenslange Auseinandersetzung.
- Co-Abhängigkeit ist eine ernstzunehmende Reaktion auf die Sucht, bei der Angehörige lernen müssen, sich selbst zu schützen und Grenzen zu setzen.
Sucht ist eine Krankheit, keine Charakterschwäche: Ein umfassendes Verständnis von Abhängigkeit
Nachdem wir die einzelnen Facetten der Abhängigkeit beleuchtet haben, fügt sich ein klares Bild zusammen: Sucht ist keine moralische Verfehlung oder eine Schwäche des Charakters. Sucht ist eine komplexe, multifaktorielle und chronische Erkrankung des Gehirns, die im internationalen Klassifikationssystem für Krankheiten (ICD-10) klar definiert ist. Diese Perspektive ist keine Entschuldigung für das oft verletzende Verhalten von Süchtigen, aber sie ist die notwendige Grundlage für ein wirksames Verständnis und Handeln.
Die Stigmatisierung von Sucht als Charakterschwäche ist einer der größten Hemmschuhe auf dem Weg zur Hilfe. Sie führt dazu, dass Betroffene sich aus Scham isolieren und Angehörige mit Wut und Urteilen reagieren, wo Mitgefühl und klare Grenzen angebracht wären. Die Anerkennung der Sucht als Krankheit ermöglicht es, den Menschen von seinem Verhalten zu trennen. Man kann die Person lieben und gleichzeitig die Handlungen, die aus der Krankheit resultieren, klar ablehnen.
Die Diagnose einer Substanzabhängigkeit wird anhand spezifischer Kriterien gestellt. Sie bietet einen objektiven Rahmen, um das Problem zu benennen. Hier sind die sechs zentralen Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), von denen mindestens drei innerhalb eines Jahres erfüllt sein müssen:
- Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren (Craving).
- Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums.
- Ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums.
- Nachweis einer Toleranz: Es werden immer höhere Dosen benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen.
- Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Konsums.
- Anhaltender Konsum trotz Nachweis eindeutig schädlicher Folgen (körperlich, psychisch oder sozial).
Dieses Verständnis verändert alles. Es verlagert den Fokus von Schuldzuweisungen hin zur Suche nach Lösungen. Es öffnet den Weg für professionelle Behandlung, so wie man es bei Diabetes oder Herzerkrankungen auch tun würde. Für Angehörige bedeutet dies, aus der Endlosschleife von Enttäuschung und Wut auszubrechen und eine neue, konstruktive Haltung einzunehmen: die des verständnisvollen, aber klar begrenzenden Gegenübers einer kranken Person.
Wenn Sie diese Muster erkennen und sich in der Beschreibung der Co-Abhängigkeit wiederfinden, ist der wichtigste nächste Schritt, die Hilfsangebote nicht nur für den Süchtigen, sondern vor allem für sich selbst in Betracht zu ziehen. Suchen Sie eine Beratungsstelle oder eine Selbsthilfegruppe für Angehörige auf, um wieder Kraft zu schöpfen.
Fragen frecuentes sur die Spirale der Abhängigkeit: Wenn Drogen nicht nur den Körper, sondern das ganze Leben zerstören
Wann spricht man medizinisch von einer Sucht?
Eine substanzgebundene Sucht liegt vor, wenn mindestens drei der definierten Merkmale innerhalb eines Jahres einen Monat gleichzeitig aufgetreten sind. Zu diesen Merkmalen gehören unter anderem der starke Wunsch zu konsumieren, Kontrollverlust und der fortgesetzte Konsum trotz schädlicher Folgen.
Ist Sucht heilbar?
Sucht gilt als chronische, aber behandelbare Krankheit. Eine vollständige „Heilung“ in dem Sinne, dass das Suchtgedächtnis gelöscht wird, ist nach heutigem Stand nicht möglich. Das Ziel der Behandlung ist eine dauerhafte Abstinenz, um die Erkrankung zu beherrschen und ein zufriedenes Leben ohne die Substanz zu führen.
Welche Faktoren begünstigen eine Suchterkrankung?
Es gibt nicht die eine Ursache. Sucht entsteht in der Regel aus einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Dazu zählen eine biologische bzw. erbliche Veranlagung, psychologische Aspekte wie Traumata oder fehlende Strategien zur Stressbewältigung sowie soziale Einflüsse aus dem Umfeld wie Familie und Freundeskreis.